Nach der letztjährigen Vizemeisterschaft musste John
Patrick fast seinen kompletten Kader umbauen. Aber wer den langjährigen Trainer
der MHP Riesen kennt, weiß das sein Scouting in den letzten Jahren immer besser
geworden ist und er nix dem Zufall überlässt.
Zufall. Ist es Zufall, dass John Patrick der Dienstälteste Trainer der BBL ist? Ein Blick auf die Tabellenplatzentwicklung der MHP Riesen seit seiner Amtsübernahme zeigt eine steile Kurve nach oben. Erst zog er als erste deutsche Mannschaft ins Top4 der Basketball Champions League ein, dann feierte er überraschend eine Vizemeisterschaft. Selbstverständlich war die Situation der Bubble etwas ganz besonderes, aber dennoch muss der monetäre Ligakrösus FC Bayern Basketball in zwei Spielen in Schach gehalten werden. Der gemeine Fan fragt sich daher, wohin kann die Reise der Riesen noch gehen? Selbstverständlich wäre der Titel der nächste logische Schritt, aber in Ludwigsburg versucht man sich eher in Bescheidenheit. Schließlich geht es in der kommenden Saison viel mehr um das finanzielle Überleben als um sportliche Sterne abzugreifen. Die Corona Situation trifft Hallensportarten besonders hart. Die angestrebte 20% Auslastungsquote von Seiten des Bundes sind zwar eine kleine finanzielle Hilfe, aber eine 100% ausgelastete Halle wäre für alle Vereine inklusive den MHP Riesen Ludwigsburg eher ein Segen und hilfreich.
Aderlass im Sommer
Von der Situation zwar beeindruckt, hat John Patrick
diesen Sommer dennoch keine Verschnaufpause gehabt. Schließlich möchte er
sportlich gerne an die letzte Spielzeit anknüpfen und als eine
Überraschungsmannschaft gelten, welche ab und zu den größeren Mannschaften ein
Bein stellt. Dabei musste er auch einen Aderlass in Kauf nehmen, aber darauf
war er bereits eingestellt. Somit steht ihm sein Dreigestirn aus Weiler-Babb,
Knight und Wimbush nicht mehr zu Verfügung. Erstgenannter machte von seiner
Ausstiegsklausel gebrauch, aber blieb innerhalb der Liga und wechselte zum
Ligakonkurrent FC Bayern Basketball. Marcos Knight zog es hingegen in die
französische Liga und schloss sich dem AS Monaco an. Thomas Wimbush spielt in
Zukunft in der Türkei und wechselte zu Petkim (Türkei). Aber auch die Verträge
von Rollenspielern wie Hans Brase oder Konstantin Konga wurden nicht
verlängert. Nichtsdestotrotz können sich die Fans über eine Rückkehr freuen,
denn beide fanden ihr neues Glück innerhalb der Liga.
Bunter Strauß aus Routine und Neulingen
Desto mehr können sich die Fans über die neuen Gesichter
freuen im Dress der Riesen. John Patrick hat dabei versucht eine Mannschaft zu
formen, welche zu einem aus Ligaroutiniers besteht und zum anderen aus
Liganeulingen. Allen voran auf der deutschen Position wurde auf Spieler
gesetzt, welche die Liga bereits kennen. Wer außerdem John Patrick kennt,
möchte er Spieler, welche sich in der Verteidigung aufopfern. Hierzu passt kein
geringere als der zweifache Verteidigungsspieler der Liga Yormas Polas Bartolo.
Ein eher ungewöhnlicher Neuzugang auf dem ersten Blick erscheint Elias Harris.
Lange sah es diesen Sommer so aus als ob der gebürtige Speyrer ein Sabbatjahr
einlegen wird, aber ein Anruf von John Patrick und der 2fache NBA Spieler war
auf dem Weg in die Barockstadt. Auch bereits in der Liga bekannt und hatte
wahrscheinlich die kürzeste Anreiste ist Javontae Hawkins. Zuvor spielte der
vielseitige Forward knapp 100km östlich bei den Crailsheim Merlins. Besonders
für das Spiel von außen gibt Hawkins dem Ludwigsburger Spiel eine neue
zusätzliche Dimension. Knapp 37% seiner Distanzwürfe waren in der letzten
Saison ein Treffer. Neuzugang und aktuell noch unter Flagge von Neuseeland
unterwegs, aber perspektivisch soll Yannick Wetzell einen deutschen Pass
erhalten. Der gebürtige Kiwi verbrachte in der vergangenen Saison an der San
Diego State. Zwar gewann er mit der SDSU 30 seiner 32 Spiele, aber im Finale um
die Krone der Montain West Conference musste man sich wie im Vorjahr der Utah
State in einem denkbar knappen Spiel geschlagen geben. Yannick Wetzell steuerte
dabei 12 Punkte bei und holte 13 Rebounds. Auf der Guard Position vertraut John
Patrick eher seiner Scouting Qualitäten und bringt 3 neue Profis in die Liga.
Lediglich Desi Rodriguez kann bereits auf Auslandserfahrung verweisen. Der
gebürtige New Yorker versuchte sein Glück bei Hapoel Tel-Aviv. Aber nach vier
Spielen plagte ihm einerseits das Heimweh und andererseits gab es ein
Missverständnis hinsichtlich seiner Rolle und er kehrte zurück an die G-League
zu den Agua Caliente Clippers. Dort machte er eher als knallharter Verteidiger
seinen Namen alle Ehre und nicht als potente Offensivkraft. Eher das komplette
Gegenteil ist der zweifache Gegenspieler Barry Brown Jr. Bei den Iowa Wolves
wusste er aufgrund seiner starken 3er Quote und flinken Händen zu überzeugen.
Das Nesthäkchen aller ausländischen Spots bekleidet K.J. Feagin. Der
Kalifornier ist nicht nur ehemaliger Spielkamerad von Yannick Wetzell von der
San Diego State, sondern gilt auch als heimlicher Strippenzieher des Erfolgs
aufgrund seiner aggressiven Verteidigung. Ähnlich sah es auch die Trainer der
Mountain West Conference und kürten ihn zum besten Verteidigungsspieler der
Saison. Aber auch in der Offensive leistete 1.85m große Guard seinen Beitrag
und war zu 12% aller Spiele der beste Werfer seiner Mannschaft.
Rückkehrer an die Barockstadt
Aber neben den neuen Gesichtern im Trikot der MHP Riesen
kann John Patrick auch sich auf zwei Rückkehrer freuen. Zwar ist die Rückkehr
von WoBo keine große Überraschung, aber dennoch erfreut es die Fan Herzen. Mit
275 BBL Spielen ist der 2.08m große Center der erfahrenste Spieler in der
kommenden Spielzeit. Auch seine ruhige Art und Weise waren ein wichtiger
Baustein zum letztjährigen Erfolg. Zwar stand die Nummer 18 nur 15 Minuten auf
dem Parkett, aber konnte mit Fähigkeiten glänzen, welche jenseits des
Statistikbogens erfasst werden. Darunter zählen entscheidende Blöcke setzen für
die Guards, unermüdlicher Einsatz in der Pick and Roll Verteidigung und vieles
mehr. Größere Auffälligkeiten auf dem Statistikbogen dagegen hat der zweite
Rückkehrer. Mit seiner Rückkehr haben auch wohl die meisten Fans nicht
gerechnet. Jaleen Smith entwickelte sich nicht nur innerhalb der Bubble zum
heimlichen MVP, sondern war gefühlt bereits in halb Europa unter Vertrag. Nun
soll er eine Rolle als Führungsspieler einnehmen im neuformierten Kader und mit
seinem Hunger auf Erfolg die Mannschaft antreiben. Und vielleicht ist Jaleen
Smith genau das Puzzleteil der Mannschaft, welchen den letztjährigen Erfolg
wiederholen lässt.
Zufall? Nein in Ludwigsburg gibt es keine Zufälle. Alles passiert mit einem gewissen Plan und Zielstrebigkeit. Diese zwei Eigenschaften können den Schwaben helfen wieder vorne mitzuspielen und die Großen zu ärgern – ob mit Zuschauern oder ohne Zuschauern.
Bildquelle: Gunnar Rübenach